HATTENhat im Gespräch mit Anke Vos
- HATTENhat. Redaktion
- 27. Apr.
- 8 Min. Lesezeit


Kunst zwischen Wandel und Welt
Guten Tag, Frau Vos, es ist uns eine große Freude, Sie heute im Rahmen unseres HATTENhat.-Blogs begrüßen zu dürfen.
Mit Ihrer künstlerischen Vielseitigkeit und Ihrem tiefen Engagement für die Kultur bereichern Sie nicht nur Oldenburg und die Region Hatten, sondern auch weit darüber hinaus. Sie sind Malerin, Fotografin, Collage-Künstlerin und Kunstpädagogin – und mit Ihrer Galerie „Kunstvoll“ in Sandkrug haben Sie einen Ort geschaffen, der Kunst erlebbar macht, zum Austausch einlädt und die kreative Szene vor Ort nachhaltig stärkt.
Besonders freut uns, dass Sie die erste Frau sind, die wir in unserer monatlichen Interviewreihe „HATTENhat im Gespräch“ vorstellen dürfen. Ein schöner Meilenstein, der Ihre Rolle als inspirierende Persönlichkeit in unserer Gemeinde zusätzlich unterstreicht.
In diesem exklusiven Gespräch möchten wir mehr über Ihre Anfänge, Ihre Erfahrungen im In- und Ausland, Ihre künstlerischen Schwerpunkte und Ihre Visionen erfahren – und gleichzeitig den Menschen hinter den Werken kennenlernen.
1. Frau Vos, Sie haben bereits in Ihrer Kindheit mit dem Malen begonnen. Was hat Sie damals inspiriert, und wie hat sich Ihre künstlerische Entwicklung seitdem gestaltet?
AV: Als Kind habe ich gemalt, was mir gefallen hat, und dabei bin ich eigentlich geblieben. Wenn mich etwas inspiriert, setze ich dies künstlerisch um. Das können ganz unterschiedliche Eindrücke sein, so zum Beispiel zufällige Farbformen, die ich zeichnerisch ausdeute, Bauwerke oder Landschaften, die ich entdecke, oder Collagematerial, das ich finde.
2. Ihre Werke zeichnen sich durch eine Mischung aus Malerei, Fotografie, Collage und Stickerei aus. Wie wählen Sie die Techniken für ein neues Projekt aus?
AV: Die Wahl meiner Technik geschieht meist spontan. Die Grundlagen meiner Arbeiten sind meist malerisch oder collagiert. Welche Motive dann in welcher Technik ergänzt werden, ist eine Entwicklung, die jedes Mal aufs Neue geschieht.
3. Die Themen Vergänglichkeit und Verwandlung spielen in Ihrer Kunst eine zentrale Rolle. Können Sie uns mehr über die Bedeutung dieser Motive erzählen?
AV: Meine praktische Abschlussarbeit im Studium hatte das Thema "Anschauliche Phänomene der Vergänglichkeit". Diese künstlerisch sehr intensive Zeit, in der ich mich sowohl kunstpraktisch als auch -geschichtlich mit dem Thema Vergänglichkeit auseinandergesetzt habe, hat meinen Blick nachdrücklich geprägt. Künstlerisch inspirierender finde ich so zum Beispiel eher verfallene Gemäuer als intakte Bauwerke, eher leblose Falter am Wegrand als Pferde auf der Weide. Oftmals sind es kleine Motive, die anderen Menschen vielleicht gar nicht auffallen, mich jedoch dazu bringen, sie festzuhalten: Die verwelkte Blume, das zerlöcherte Schneckenhaus oder zerfallendes Holz. Das Thema Vergänglichkeit ist ein zentrales, das alle umgibt und alle berührt, jedoch oft zur Seite geschoben wird, um sich nicht damit beschäftigen zu müssen.
Die Verwandlung ist allgegenwärtig ist der Kunst. Kunst ist Verwandlung. In dem Moment, in dem ich etwas künstlerisch umsetze, verwandle ich es ja. Ich verwandle das weiße Blatt Papier zeichnerisch in eine Landschaft, die Leinwand in ein Porträt. Verwandlung von allgemeinen Sehgewohnheiten hat einen besonderen Reiz. Da ist das Mittel der Collage naheliegend, mit dem man zwei oder mehr Bilder in neue Zusammenhänge bringen kann. So werden Menschen zu Mischwesen, führen Fische spazieren oder finden sich in neuen surrealen Situationen wieder.
4. Sie haben einige Zeit in Paraguay verbracht. Wie hat dieser Aufenthalt Ihre künstlerische Arbeit beeinflusst?
AV: In Paraguay war ich künstlerisch sehr aktiv, da mich die vielen neuen Eindrücke stark inspiriert haben. Natürlich habe ich dort auch sehr viel fotografiert und so vor allem die faszinierende Tierwelt festgehalten. Lagunen sind in der Regenzeit Heimat für Flamingos, Ibisse und zahlreiche weitere Vögel, Nanduherden laufen über die Felder, auch Kaimane oder Tejus lassen sich beobachten. Man entdeckt Spuren von Capibaras oder erhascht einen Blick auf einen Ameisenbären. Weniger schön, aber auch sehr eindrücklich waren Begegnungen mit Klapperschlangen, Skorpionen, Vogelspinnen oder schwarzen Witwen. Aber auch der Aspekt der Vergänglichkeit spielt hier wieder eine Rolle. Im Chaco, dem Bereich, in dem wir damals gelebt haben, sind Regen und Trockenzeit ausschlaggebend für das Leben. Die Lagunen, die gerade noch voller Leben waren, trocknen aus, die Bäume sind durch den Salzgehalt verdorrt, Wasserschneckenhäuser liegen zu Hunderten auf dem Boden und nach und nach wird das Überleben schwieriger. Aber nicht nur das Wasser, sondern auch das Geld spielte eine Rolle. Die Instandsetzung von Gebäuden oder Straßen geschah beispielsweise nicht; angefahrene oder von Klapperschlangen getötete Tiere wurden nicht weggebracht, sondern den Geiern überlassen. So ist das Vergehen teilweise viel stärker zu beobachten als hier.
Neben den fotografischen, zeichnerischen und malerischen Eindrücken des Gesehenen habe ich in Paraguay auch zum ersten Mal den malerischen Zufall für meine Bilder genutzt. Zunächst war er nur Hintergrundgestaltung für meine Zeichnungen, wurde aber schnell Grundlage des Bildes und somit ausschlaggebend für das Bildmotiv.
5. Mit der Galerie „Kunstvoll“ haben Sie einen besonderen Ort in Hatten geschaffen. Was war Ihre Motivation, diesen Raum zu eröffnen?
AV: Über die Eröffnung einer Galerie in Hatten denke ich schon lange nach, da ein solcher Platz für Kunst hier noch fehlte. Die Auseinandersetzung mit Kunst, der freie Zugang zu Kunstwerken, sollte auch im eigenen Ort möglich sein. Es geht aber natürlich nicht nur um die Betrachtung und Auseinandersetzung, sondern auch um das Zeigen. Ich wollte einen Platz schaffen, an dem Kunst gezeigt wird, an dem ich meine Kunst zeigen kann und an dem andere Kunstschaffende ihre Kunst präsentieren können.
Dass es nun doch recht schnell dazu gekommen ist, verdanke ich auch dem Zufall und der schnellen und unkomplizierten Vermietung.
6. In der Ausstellung „Im Wald“ präsentierten Sie gemeinsam mit Amalia und Lenia Vos (Ihre Töchter) verschiedene Werke. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit, und welche Bedeutung hat sie für Sie?
AV: Meine Töchter sind beide sehr kreative Künstlerinnen, die sich immer wieder mit verschiedenen Techniken auseinandersetzen und so ganz hervorragende Kunst schaffen. Da sie in einem "Kunsthaushalt" aufgewachsen sind, standen ihnen immer alle möglichen Mittel zur Verfügung. Schon im Kleinkindalter haben sie verschiedenste Farben und Malgründe ausprobieren können. Wir haben häufig Museen und Ausstellungen besucht und sie haben mit uns und mit Freundinnen verschiedene Workshops besucht. Das hat die beiden sicherlich geprägt. Ich finde es toll, dass sie die Kunst so auch für sich entdeckt haben und nicht nur privat, sondern auch schulisch beide ihren Schwerpunkt hier setzen. In der Ausstellung "Im Wald" waren die Kunstwerke meiner Töchter herausstechend, da sie sich mit dem Wald im weiteren Sinne auseinandergesetzt haben. Lenia hat die Jagd in einem surrealen Werk, das in unterschiedlichsten Techniken erstellt wurde, kritisch thematisiert. Amalia hat sich mythologisch mit dem Thema auseinandergesetzt und eine großformatige Malerei geschaffen, in der sie sich mit Artemis und ihren Attributen beschäftigt hat. Es freut mich besonders, dass meine Töchter sich bisher an allen Gruppenausstellungen beteiligt haben.
Die Kunstwerke meiner Töchter und mir sind jedoch nur ein Teil der Gruppenausstellungen in der Galerie gewesen. Bei der Ausstellung "Im Wald" waren auch weitere Künstlerinnen und Künstler aus Hatten, Oldenburg, aber auch Düsseldorf und Köln beteiligt. An der Februarausstellung "Masken(-ball)" waren neben anderen Künstlerinnen und Künstler aus Berlin und Potsdam dabei. Im März wurde es dann international: Die Galerie hat neben der regulären Ausstellung "Frauenbilder", in der auch ein Künstler aus Polen und eine Künstlerin aus Österreich ausgestellt haben, einen Mail Art Call gestartet. Es war ein internationaler Aufruf, Kunstwerke in Postkartengröße zum Thema "strong women" zu schicken. Diese wurden am 8.März versteigert und der Erlös wurde an den Wildwasser Oldenburg e.V. gespendet. Dem Aufruf sind über 60 Kunstschaffende gefolgt. Die Zusendungen kamen aus ganz Europa, aber auch aus den USA, Kanada, Brasilien, Argentinien und Malaysia. Der Erfolg des Aufrufs hat mich ganz besonders gefreut.
7. Ihre Ausstellung „Kunst im Fluss“ zeigt eine breite Palette Ihrer Arbeiten. Wie wählen Sie die Werke für eine Ausstellung aus, und was möchten Sie den Besuchern vermitteln?
AV: Die Ausstellung fand im Februar und März im Rathaus Wardenburg statt und ist in Zusammenarbeit mit Hendrik Müller entstanden, der die Idee hatte, einen Überblick über meine verschiedenen Schaffensphasen zu geben. In dieser Ausstellung waren Werke der letzten 20 Jahre zu sehen, die lediglich das Motiv Mensch als Gemeinsamkeit hatten. Bei dieser besonderen Ausstellung ging es darum, die Unterschiedlichkeit der Werke und die Entwicklung meiner Kunst zu verdeutlichen.
Die Auswahl der Werke in meiner Galerie geschieht so, dass ich zunächst ein Thema ausschreibe, für das sich Kunstschaffende bewerben können. Wichtig ist mir dabei, dass das Motiv möglichst vielseitig in der Ausstellung zu sehen ist. Es soll nicht eine Technik oder eine Darstellungsart immer wieder gezeigt werden, sondern die Facetten der Kunst, die Sichtweisen verschiedener Menschen auf ein Thema soll deutlich werden.
So werden in der kommenden Ausstellung "Erbautes", die am 04.05. eröffnet wird, auch wieder viele verschiedene Ansätze zu sehen sein. Es geht um Architektur, um Natur, Technik umgesetzt in verschiedenen Techniken, mal realistisch, mal abstrahierend oder konkret. Man darf gespannt sein.
8. Sie sind nicht nur Künstlerin, sondern auch Lehrerin. Wie beeinflussen sich diese beiden Rollen gegenseitig?
AV: In die Schule nehme ich natürlich Techniken, mit denen ich gerne arbeite, mit. Auch versuche ich die Schülerinnen und Schüler zu ermutigen, Techniken kennenzulernen, zu kombinieren und so freier zu werden. Auf der anderen Seite bemerke ich, dass ich Kunst oft technisch erkläre, was sicherlich auch aus der Schule und dem Unterricht kommt. Mich freut es besonders, wenn auch Kinder und Jugendliche ihren Weg in die Galerie finden und sich die Kunst dort anschauen. Denn die Galerie soll ein Ort für alle sein.
9. Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie für Künstlerinnen in der heutigen Kunstszene, insbesondere in ländlichen Regionen wie Hatten?
AV: Die Herausforderung als Künstlerin in der Kunstszene ist zum einen natürlich, authentisch zu bleiben. Die künstlerische Tätigkeit, die Kreativität so zu behalten, wie sie dem eigenen Wesen entspricht, eigene Wege zu finden und individuelle Kunst zu schaffen, ist doch das, was man als Künstlerin tun möchte. Auf der anderen Seite möchte man natürlich auch, dass die Kunst gesehen wird, dass sie gefällt und vielleicht auch gekauft wird. Da es eine solche Vielzahl an Kunstschaffenden gibt und diese, auch durch die sozialen Medien, die Möglichkeit haben, stets viele Menschen zu erreichen, ist es vielleicht schwieriger ein Publikum zu finden. Dies ist in ländlichen Regionen vielleicht noch erschwert, da "das Dorf", wenn es nicht den Ruf als "Künstlerdorf" hat, erst einmal nicht als Kunst- und Kulturort angesehen ist.
Allerdings ist dies vielleicht auch eine Chance, denn ich erhoffe mir, dass immer mehr Menschen von der Galerie erfahren und diese besuchen, um vielfältige Kunst auch in Hatten zu erleben.
10. Abschließend: Was sind Ihre nächsten Projekte, und worauf dürfen wir uns freuen?
AV: In diesem Jahr habe ich in der Galerie natürlich noch mehrere Ausstellungen geplant. Die Vernissage der Ausstellung "Erbautes" wird, wie schon erwähnt am Sonntag, den 04.05. um 15 Uhr stattfinden. Dazu sind alle herzlich eingeladen. Im Rahmen der Ausstellung wird am 31.5. auch wieder eine Lesung meines Mannes, Holger Vos, stattfinden, dessen Texte bereits zwei Mal abends in der Galerie präsentiert wurden.
Anfang August geht es dann mit der darauffolgenden Ausstellung „Rot“ weiter. Ausschreibungen zu den kommenden Ausstellungen und auch einer Anthologie zum Thema "(un-)heimlich" findet man immer auch auf der Seite der Galerie: www.galerie-kunstvoll.blogspot.com.
Aber auch neben der Galerie ist künstlerisch einiges los:
Aktuell sind Bilder von mir im Restaurant Veggiemaid in Oldenburg zu sehen.
Am 25. Mai findet der Aktionstag "Kunst im Garten" des Künstlerkreises Hatten statt, bei dem ich neues Mitglied bin. Neben den vier Gärten, in denen Kunst gezeigt wird, ist auch die Galerie Kunstvoll ein Anlaufpunkt für Kunst an diesem Tag.
Im Juni habe ich eine Einzelausstellung in der Müller-vom-Siel-Kate in Dötlingen, auf die ich mich schon sehr freue.
Auch eine Einzelausstellung in Düsseldorf steht in diesem Jahr noch an.
Es ist ein sehr kunstvolles Jahr für mich. :)
Herzlichen Dank, Frau Vos, für dieses offene und inspirierende Gespräch.
Ihre Werke, Ihre Gedankenwelt und Ihr Engagement zeigen eindrucksvoll, wie Kunst Brücken bauen und Räume des Staunens und Nachdenkens schaffen kann. Sie bereichern nicht nur die Kulturlandschaft unserer Region, sondern auch das Miteinander – durch Kreativität, Authentizität und eine spürbare Leidenschaft für das, was Sie tun.
Wer mehr über Anke Vos und ihre Arbeiten erfahren möchte, findet weitere Informationen auf ihrer Homepage www.ankevos.de sowie auf ihren Social-Media-Kanälen unter anke_vos_art (Instagram) und anke-mala (Facebook).
Und natürlich laden wir herzlich ein, die Galerie „Kunstvoll“ in der Astruper Straße 3 in Hatten-Sandkrug zu besuchen – ein Ort der Begegnung und der Inspiration mitten in unserer Gemeinde.
-------
Bleiben Sie dran für weitere Porträts spannender Persönlichkeiten aus Hatten in unserer Reihe „HATTENhat im Gespräch“ – jeden Monat neu auf www.hattenhat.de/blog.
Wenn Sie neugierig auf weitere kreative Köpfe aus unserer Region geworden sind, laden wir Sie herzlich ein, unsere Rubrik „Kultur & Events“ auf www.hattenhat.de/kultur-events zu besuchen.
HATTENhat.
Weil wir Hatten leben !
Комментарии